40 Bücher, an die ich mich noch erinnere

Don Winslow: «Das Kartell» (2015)
Die Fortsetzung von «Tage der Toten» basiert wie dieses auf Recherchen des Autors. Der Drogenkrieg in Mexiko hat sich noch intensiviert.  Winslow fährt ein imponierendes Figuren-Panorama auf: «Krieg und Frieden der Drogenkriegs-Romane» (James Ellroy).

Jason Matthew: «Operation Red Sparrow» (2015)
Debut-Thriller eines CIA-Insiders. Comeback des Kalten Krieges: Russisch-amerikanische Spionage und Gegenspionage. Dominika Egorowa wird als «Sparrow» ausgebildet. Ihre Spezialität: Verführung zum Geheimnisverrat.

Philipp Kerr: «Wintertransfer» (2015)
In mehr oder weniger aktuelles Fussballgeschehen eingebetteter Thriller in chandleresker Taffer-Jungs-Sprache. Bietet Einsicht in das Mega-Geschäft der Religion Fussball – amüsant und spannend.

James Lee Burke: «Regengötter» (2014)
Vielleicht nicht die ganz grosse Spannungsliteratur, aber die Schilderung des amerikanischen Südens ist beeindruckend («Donner krachte durch den Himmel, als würde ein Blechdach von den Händen Gottes langsam in Stücke gerissen») und die Figuren bleiben haften.

Lars Pettersson: «Mord am Polarkreis» (2015)
Kautokeino, Norwegen: Der Kriminalroman als Vehikel zur Darstellung gesellschaftlicher Zustände im Volk der Samen. Sehr interessant.

Rachel Kushner: «Flammenwerfer» (2015)
Kuschners Buch handelt von den rebellischen Siebzigerjahren in New Yorks Künstlerszene sowie im Italien von Autonomia Operaio und Brigate Rosse. Funkelnde Geschichtsschreibung via Geschichten, wobei man vom Erzählduktus so hingerissen wird, dass man gar nicht dazu kommt, nachzuprüfen, was da nun Dichtung und was «Wahrheit» ist.


Michel Faber: «Book of Strange New Things» (2015)
Bringt Science Fiction und religiöse Erbauungsliteratur zusammen. Ungewöhnlich und empfehlenswert für Leute, die beide Genres nicht mögen.

Robert Seethaler: «Ein ganzes Leben» (2014)
Seethalers Protagonist Egger ist ein Alpin-Stoner. Ein quasi heiligmässiger Mann in seiner Schicksals-Ergebenheit.

Amélie Nothomb: «Mit Zittern und Staunen» (2002)
Die Autorin hat in Japan ihre Kindheit verbracht. Im vorliegenden Buch beschreibt sie ihre späterhinige Erfahrung in einem japanischen Unternehmen mit autoritärer Steil-Hierarchie. Sie lässt sich bis zur Klo-Frau degradieren, um ihren Vertrag zu erfüllen. Ironisch-böse und sehr amüsant.

Urs Zürcher: «Innerschweizer» (2014)
Der Kalte Krieg läuft heiss: Eine Basler Wohngemeinschaft löst mit einem missglückten Anschlag ungewollt welthistorische Kalamitäten aus. Retro-Fiction in Tagebuchform. Kühn und geglückt.

Isabel Allende: «Das Siegel der Tage» (2009)
Die Autorin hält als Familien-Napoleon, Tribal Chief oder auf gut deutsch als Glucke eine infolge von Drogen, Untreue, diversen Macken und kulturellen Differenzen auseinanderdriftende Sippschaft beieinander und findet offensichtlich auch noch Zeit, uns davon zu unserem Vergnügen ebenso wie zu unserer Erbauung Mitteilung zu machen.

Claude Cueni: «Script Avenue» (2014)
Autobiografischer Roman voller Schicksalsschläge mit Witz und  literarischem Furor gemeistert. Grossartig.

Tom Wolfe: «Back to Blood» (2013)
Der kubano-amerikanische Miami-Roman der Sonderklasse. Satirisch überhöht, sprachmächtig, spannend!

Marisha Pessl: «Die alltägliche Physik des Unglücks» (2013)
Fulminantes Debut. Bildungsschwurbeliges (Achtung: Ironie!) Coming of Age einer Sechzehnjährigen mit akademischem Vater. Aufgekratzt lebendig und spannend.

Marisha Pessl: «Die amerikanische Nacht» (2014)
Die Autorin konstruiert aus den zwei Seiten einer Angelegenheit eine überaus spannende Kriminalgeschichte. Horror-Kult-Regisseur Cordova ist seit 1977 nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Ein Rätsel.

Leonardo Padura: «Ketzer» (2014)
Der kubanische Grossautor stellt die Frage nach der Freiheit des Individuums auf drei familiengeschichtlich miteinander verknüpften historischen Ebenen. Spannend.

Leonardo Padura: «Die Palme und der Stern» (2015)
Auf den Spuren des kubanischen Dichters und Freimaurers José Maria Heredia kehrt der exilierte Schriftsteller Fernando nach Havanna zurück. Wer hatte ihn zu Zeiten denunziert? Erstaunliche Parallelen im Leben zweier Schriftsteller aus zwei Jahrhunderten.

Gerhard Henschel: «Bildungsroman» (2014)
Alltag eines Studenten mit Provinz-Eltern und viel unerfülltem Liebessehnen. Sehr amüsant. (Zuvor schon erschienen: «Kindheitsroman», «Jugendroman», «Abenteuerroman». Henschel neuester Roman über sein Alter Ego Martin Schlosser heisst «Künstlerroman» und beschreibt dessen Weg zum Schriftsteller.)

Fritz J. Raddatz: «Tagebücher 1982-2001» (2010) und «Tagebücher 2002-2012» (2014)
Gewaltiges 1600 Seiten-Panorama der besseren, kulturaktiven Gesellschaft. Generalthema: die Eitelkeit der Grosskopfeten und deren Mimosentum (einschliesslich der des Autors).

Louis Ferdinand Céline: «Reise ans Ende der Nacht» (2003)
Ein Klassiker der Weltliteratur, den schönen Schein des Bürgertums in der Luft zerreissend. Das Wilde und Un-Verschämte des Buches erreicht einen auch heute noch.  

James Salter: «Alles, was ist» (2013)
Mit achtundachtzig hat Salter noch einen funkelnden Roman geschrieben: Intensitäten im Leben von Phil Bowman, Verlagslektor, dessen Leben scheints als Krieger im Pazifik begann: Lieben, die kommen und gehen – betrügen und betrogen werden.

Nicolai Lillin «Sibirische Erziehung» (2010)
Die Urkis sind ehrbare Kriminelle. Sie stehlen, rauben und töten allenfalls, aber andere Gemeinheiten sind für sie tabu. Sie unterliegen einem komplexen Regelwerk, das ihr Verhalten und ihre Ehre sowie entsprechende Sanktionen kodiert. Sehr exotisch. Nichts für Mädchen.

DBC Pierre: «Jesus von Texas» (2004)
Gesellschaftskritische Satire erzählt aus der Perspektive eines Jugendlichen im Gefolge eines High-School-Amoklaufes. Umwerfender Jugend-Slang. (DBC heisst «Dirty but clean», drehte krumme Dinge, wurde aber nie geschnappt.)

Mikael Niemi: «Populärmusik aus Vittula» (2007)
Niemi ist ein Angehöriger der finnisch sprechenden Minderheit im Hohen Norden Schwedens. Die Porträtierung dieses abseitigen Volksstammes ist von zu Herzen gehender Komik.

Sven Regener: «Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt» (2013)
Eines der lustigsten Bücher, das ich je gelesen habe: Bummbumm-Records auf grosser Tour. Da bleibt kein Auge trocken. Auch alle anderen Regener-Bücher sind von grosser Klasse.

William Boyd: „Die neuen Bekenntnisse“ (2012)
John James Todd verfolgt als Stummfilmer das Monumental-Projekt der Verfilmung von J.J. Rousseaus Bekenntnissen. Nach einem genial geratenen ersten Teil bekommt er es mit dem Beginn des Tonfilm-Zeitalters zu tun. Dies ist das dritte Buch in Boyds „Trilogie der Fälschungen“. Die fiktive Biografie „Eines Menschen Herz“ habe ich schon zuvor mit Begeisterung gelesen ebenso wie „Nat Tate. An American Artist 1928-1960“.

Anne-Marie MacDonald: „Wohin die Krähen fliegen“ (2004)
Brillanter Roman über die 60er Jahre, den Kalten Krieg, kanadisches Familienleben auf einem Luftwaffenstützpunkt und das schmerzliche Ende einer Kindheit.
Katharina Zimmermann: „Die Furgge“ (1989)
Eine Geschichte aus dem Schangnau basierend auf der Verfolgung der Wiedertäufer 1690 bis 1719.

Gerhard Polt: „Hundskrüppel – Lehrjahre eines Übeltäters“ (2011)
Da langt einer richtig hin beim Beschrieb seiner Kindheit. Der Streiche sind viele und die Auszeichnungen gross: Hundskrüppel verreckter!

W.G. Sebald: „Schwindel. Gefühle“ (2001)
Irritierende Geschichten – erlebt, kolportiert, erfunden – machen eine faszinierende Lektüre aus.

Juan Pablo Villalobos: „Quesadillas“ (2014)
Lagos de Moreno im Südwesten Mexikos, wo es mehr Kühe als Menschen und mehr Geistliche als Kühe gibt, und wo die Menschen an Geister, Wunder, Raumschiffe, Heilige und Ähnliches glauben.

Philipp Felsch: „Der lange Sommer der Theorie – Geschichte einer Revolte 1960-1990“ (2015)
Das Buch erzählt, wie man sich zu Zeiten einen Weg durch den Dschungel schwieriger Texte geschlagen hat: Adorno, Suhrkamp, Merve, Deuleuze/Guattari etc.

Peter Schneider: „Rebellion und Wahn – Eine autobiografische Erzählung“ (2008)
Der 68jährige 68er Peter Schneider setzt sich mit seinem jugendlichen Rebellentum auseinander: Ebenso fern von Nostalgie wie Denunzierung.

Jack El-Hai: „Der Nazi und der Psychiater“ (2014)
Dr. Kelley war der Armee-Psychiater, der die Angeklagten im Nazi-Kriegsverbrecher-Prozess in Nürnberg betreute. Er versuchte ihnen – und insbesondere Hermann Göring – mittels des Rorschach-Tests auf die Schliche zu kommen.

David A. Yallop: „Im Namen Gottes? – Der mysteriöse Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. – Tatsachen und Hintergründe“ (1988)
Albino Luciani – der spätere Papst Johannes Paul I. – war ein guter Mensch und fürsorglicher Hirte. Yallops Buch handelt u.a. von sechs Personen, die grösstes Interesse an seinem vorzeitigen Abgang hatten.


Anthony Trollope: „Septimus Harding, Spitalvorsteher“ (2015) und „Die Türme von Barchester (2005)
Die ersten zwei von Trollopes sechs Barchesterromanen reflektieren gesellschaftlichen Wandel, Adel und Geistlichkeit in der fiktiven englischen Grafschaft Barsetshire betreffend. Während Dickens in Schwarzweiss arbeitete, hat es Trollope mehr auf Grautöne angelegt.

Arno Schmidt: „Julia und die Gemälde – Szenen aus dem Novecento“ (1992)
Arno Schmidts unvollendet gebliebenes Alterswerk: Älter und schmaler werden: Verabschiedung in die Flachheit (Zweidimensionalität). Extreme Faktenhuberei: Eine Art Kreuzworträtsel für gehobene Stände.

Michael Newton: „Die Reisen der Seele: Karmische Fallstudien“ (1996) und „Die Abenteuer der Seelen: Neue Fallstudien zum Leben zwischen den Leben“ (2013)
Der Hypnotherapeut Michael Newton ist ein Pionier in der Erforschung der Geheimnisse des Lebens nach dem Tode. Einfach nur zur Kenntnis zu nehmen, was der Mann im Gespräch mit seinen Patienten unter Hypnose zu hören bekommt, ist hoch interessant.