Max' Sechzigster

Liebe Jubilierende

Es stellt sich die Frage, gibt es ein Leben nach dem 60. Geburtstag?

Lassen Sie mich jedoch vorerst die Frage beantworten, hat es denn für unseren Jubilar überhaupt ein Leben  v o r  dem Sechzigsten gegeben?
Es scheint, dass er – auch wenn keinerlei dahingehende Erinnerungen bei ihm zurückgeblieben sind –  geboren worden ist. Fest stehen die tragischen Begleitumstände seiner Ankunft auf Erden: Die Niederlage der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft am Sonntag, dem 3. April 1949 gegen die Österreicher. Diese Niederlage hat sich wie ein Schatten auf die Seele des Frischlings gelegt und seine Physiognomik bis auf den heutigen Tag geprägt.

Trotzdem ist er sechs Jahre lang drogenfrei geblieben, bis... ja, bis er in den Kindergarten eingetreten ist.
Nachdem er im weihnächtlichen Krippenspiel unter der Regie von Schwester Bosco den heiligen Josef mit Bravour gegeben und auch im Kabarett <Gufechüssi> an der Kantonsschule in Zug als komisches Talent brilliert hatte, wusste Max, dass er – sollte in seinem Leben was schief gehen – er immer noch Schauspieler werden konnte.

Und schief gegangen ist einiges.

Max war im Kindergarten als Maitlipfützeler bekannt, da er sich vorwiegend bei den Mädchen in der Bäbistube aufgehalten hat. Er ist dann allerdings nicht homosexuell geworden. Es ist dies eines der vielen Dinge in seinem Leben, die dann doch nicht eingetroffen sind.
Geprägt von der Flumser Theaterschule, insbesondere dem dortigen Feuerwehr-Theater, hat er sich nach Fehlschlägen an der Universität und in der Arbeitswelt – insbesondere auf Banken und Versicherungen –  wie für diesen Fall vorgesehen der Schauspielerei zugewandt.
Sind zu früheren Zeiten erkältete oder gar an Grippe erkrankte Leute zum Arzt gegangen, so haben sie einmal damit angefangen, stattdessen ins Theater zu gehen. So hat es der junge Max vor vielen Jahren als seine Aufgabe angesehen, Leute im Theater vom Husten abzuhalten. Er hat sich dieser Aufgabe unter Einsatz seines ganzen komödiantischen Vermögens anheimgegeben und auch beachtliche Erfolge feiern dürfen. So soll es Leute gegeben haben, denen die Darstellungen des Komödianten tatsächlich so gefallen haben, dass ihnen nicht nur die Spucke, sondern auch der Husten weggeblieben ist.

Später ist Max dann aufs Zelluloid geraten. Es darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass der Jubilar bei voller geistiger Frische und noch einigermassen intaktem Geläufe eines der grössten Nachwuchstalente des Schweizer Films ist – und das seit dreissig Jahren.
Das hat ihm bislang noch keiner nachgemacht – ausser vielleicht Ursi Andress.
Er hat in gut und gerne dreissig Filmen mitgespielt – einige davon sind auch zwei bis drei Tage im Kino gelaufen oder nachts um halb zwölf im Fernsehen gekommen.

So hat er haufenweise tolle Kritiken eingefahren. In dem Film <Die Schwarze Perle> mimte er einen Profi-Golfer. In einer Kritik dazu hiess es, er sehe als Profi-Golfer wie sein eigener Caddy aus.
Wir können hier natürlich keines der grossen Werke, in denen er als Polizist, Hausabwart, Zuchthausdirektor, Rektor, Bankverwalter etc. mitgewirkt hat, zeigen, wollen es aber keinesfalls unterlassen, Ihnen ein kleines Juwel vorzuführen, das bis dato noch kaum den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat.
Es ist betitelt: SANZ – der Sockenanzieher!
Ich gebe das Zeichen, sofern der Operateur es sieht ...


FILM SANZ – DER SOCKENANZIEHER

Da sieht man Maxens ganze Klasse aufscheinen: Clint Eastwood spielt zwar mit siebzig Jahren noch vierzigjährige Draufgänger, Max aber mit fünfzig einen Scheintoten.
Das ist übrigens der letzte Film gewesen, in welchem er eine Hauptrolle gespielt hat.
Seither hat er eher kleinere Rollen gespielt, und es soll schon vorgekommen sein, dass er auf der Affiche so weit unten stand, dass er also auch schon Druckaufträge bekommen hat.

Da Max' finaler Durchbruch als Charakterdarsteller noch auf sich warten lässt, hat er zwischenzeitlich seine Memoiren geschrieben.Die meisten Leute schreiben ja solche nach einer erfolgreichen Karriere, Max hat sie nun davor geschrieben. Warum auch nicht? Er hat sich wohl gedacht, schreibe ich mal mein Leben auf, vielleicht wirkt es dann interessanter. Es steht nun nur zu hoffen, dass nicht noch einer kommt und sagt: Super-Buch, einfach das Thema ist ein wenig gaga.
Aber keine Bange, bis jetzt ist alles gut gegangen. Die grösste Kränkung, die Max im Zusammenhang mit seinem Buch bis dato hat erfahren müssen, war, dass sein Buch im Orell Füssli an der Bahnhofstrasse einen Monat lang zwischen Lance Armstrong und Simone Niggli-Luder gelegen ist.
Allerdings hätte es einen noch besseren Titel für das Buch gegeben: <Max Rüdlinger, Gesammelte Werke, Band 1>. Wobei das nicht einmal gestimmt hätte, denn Max hat – was nur sehr wenige Leute wissen – schon einmal ein Buch geschrieben und zwar <Grissini und Alpenbitter> unter dem Pseudonym Ruth Metzler.

Damit hätten wir die Karriere-Seite von Maxens Leben abgedeckt. Was aber hat er sonst noch getan, das man als <Leben> bezeichnen könnte? Er hat sehr viel gelesen, hat sich in vielen Genres kundig gemacht, von Schund bis Schopenhauer. Aber da Lesen bekanntlich nur ein Leben aus zweiter Hand ist, bleibt die Beantwortung der Frage, hat der Jubilar gelebt, ambivalent. Einenteils ja, andernteils nicht. Von den 4 Sachen, die ein Mann in seinem Leben getan haben muss, einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, eine Frau heiraten und einmal das Bein gebrochen haben, hat er lediglich anderthalb Dinge erfüllt. Er ist einmal verheiratet gewesen und hat sich zu Zeiten mal als Torhüter des Sportclub Zug den Knöchel verstaucht.

Wenden wir uns nun der Frage zu, gibt es ein Leben nach dem Sechzigsten?

Nun ist es so, dass es dabei wohl darauf ankommt, wie weit der Alterungsprozess im sechzigsten Altersjahr eines Menschen vorangeschritten ist. Das heisst, es gilt objektiv festzustellen, wie alt ein Mensch tatsächlich ist. Was für Kriterien wenden wir aber dazu an?
Es freut mich, Ihnen bei dieser Gelegenheit, den vom Jubilar selber ausgearbeiteten Kriterienkatalog zur Feststellung des objektiven Alters eines Menschen präsentieren zu dürfen.

Alt ist ein Mensch:

  • wenn die Kerzen auf seinem Geburtskuchen mehr kosten als der Kuchen!
  • wenn aus seinen Ohren mehr Haare spriessen als auf seinem Kopf!
  • wenn bei ihm alles schmerzt, und das, was nicht schmerzt, nicht mehr funktioniert!
  • wenn er beim Schachspielen ausser Atem gerät!
  • wenn er immer noch Frauen nachsteigt, aber sich nicht mehr erinnern kann warum!
  • wenn er seine Zähne in ein Steak haut, und diese dort stecken bleiben!
  • oder wenn beim Socken ausziehen eine oder gleich mehrere Zehen  mitkommen.
  • wenn er ohne Sex leben kann, aber nicht ohne Brille!
  • wenn er sich beim Schnürsenkel binden überlegt, was er da unten sonst noch erledigen könnte, wenn er schon mal da ist.
  • wenn er keine Drogen mehr braucht, weil er den gleichen Effekt erzielen kann, indem er ziemlich schnell aufsteht.
  • wenn er mit jemandem Sex hat, der halb so alt ist wie er, und damit doch keine Straftat begeht.

Ein kurz gefasster Kriterienkatalog zum schnellen Gebrauch ist der folgende: Das sogenannte Leben nach Sechzig beginnt damit, dass Sie Gesichter vergessen, dann kommt der Punkt, wo Sie vergessen, den Reissverschluss hochzuziehen und endet damit, dass Sie vergessen den Reissverschluss zu öffnen.
Den letzten Punkt will unser Jubilar noch nicht erreicht haben.
Eine Verbesserung in unser aller Leben wäre es, wenn festgelegt würde, dass das Jahr 15 Monate hat. Dann wäre Max jetzt nämlich erst 48 Jahre alt und müsste sich noch nicht zum Alteisen zählen lassen.
Bis aber eine solche Innovation eingeführt ist, muss auch die Frage nach dem Leben nach Sechzig ebenso ambivalent wie die Frage nach dem Leben davor beantwortet werden.
Dennoch sei dem Jubilar für den Genuss seines Lebensabends nur das Beste gewünscht:

Noch soll er leben, noch soll er leben, dreimal 10 Jahre noch, aber dann ist es dann mehr als genug!